Digitale Gesundheit

Experten-Paper der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin klärt über DiGA auf und liefert interessante Diskussionsgrundlage über zukünftige Weiterentwicklungen

07.02.2022

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind seit September 2020 Teil der Regelversorgung in Deutschland und mittlerweile sind 30 DiGA vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gelistet worden. Dabei ist bisher ein kleiner Anteil Indikationen der Inneren Medizin zuzuordnen, jedoch ist davon auszugehen, dass zukünftig vermehrt DiGA gelistet werden, die das Feld der Inneren Medizin betreffen.

Aus diesem Grund hat die Kommission „Digitale Transformation in der Inneren Medizin“ der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) ein Experten-Paper unter dem Titel „Praktische Anwendung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) in der Inneren Medizin” veröffentlicht. Dieses ist in der Fachzeitschrift „Der Internist” der DGIM erschienen und richtet sich an Anwender und Verordner digitaler Gesundheitsanwendungen.

Das Paper, das in diesem Artikel zusammengefasst und kommentiert wird, gibt einen Überblick über DiGA und die dabei relevanten Themenfelder wie unter anderem Nutzen, Evidenz, Verordnung und rechtliche Bestimmungen. Basierend auf diesen Informationen sowie anschaulichen Beispielen werden auch Kritikpunkte und offene Fragen der Experten, die an der Verfassung des Papers mitgewirkt haben, bezüglich des DiGA-Systems ersichtlich. 


DiGA weisen großes Nutzenpotential und Innovationskraft auf

Das Paper hebt neben offenen Punkten aber auch das große Potential einer effektiven Integration von DiGA in den Versorgungsalltag hervor. So weise der Einsatz von DiGA bei Internistischen Indikationen einen potentiell großen Nutzen auf, da Leistungen externalisiert werden können, die das bestehende Vergütungssystem in Deutschland nicht adäquat abdecken kann. Beispiele hierfür sind unter anderem therapeutische Übungen zuhause beim Patienten oder ein digitales Monitoring des Krankheitsverlaufes.

Ein weiteres Nutzenversprechen wird auch in einer erhöhten Verfügbarkeit von Zeit für die Patientenbetreuung und -beratung gesehen. Ebenso bestehe die Möglichkeit, dass Informationen und Reportings aus einer gelisteten Gesundheits-App den Internistischen Behandlern eine vergrößerte Informationsbasis zum Krankheitsverlauf verschaffen, die wiederum für eine Optimierung und Individualisierung der Therapie eingesetzt werden könne.

Um diese vielversprechenden Nutzenpotentiale zu realisieren sei es aus Sicht der Experten der DGIM jedoch essentiell, dass der Mehraufwand der Ärzten im Rahmen der Nutzung einer DiGA entsteht angemessen berücksichtigt und vergütet wird. Damit DiGA die Behandler effektiv unterstützen können ist beispielsweise ein Informations- und Weiterbildungsaufwand seitens der Ärzte unabdingbar. Solche Aufwände müssen erstattet werden, damit DiGA in Deutschland eine breite Anwendung finden.


Offene Fragen bestehen beim Verordnungsprozess, der Evidenz sowie dem konkreten Informationsangebot über DiGA

Aus Sicht der DiGA-Experten des DGIM bestehen bei einer solchen Verbreitung der DiGA-Anwendung einige offene Fragen, die im gemeinsamen Diskurs oder mit der Zeit durch Praxiserfahrungen aus der Anwendung geklärt werden müssen.

Unter anderem bei der Verordnung von DiGA wird die Möglichkeit, dass ein Patient auf direktem Wege -ohne vorherige Arzt-Konsultation - bei der Krankenkasse den Zugang zu einer DiGA auf Basis des Bestehens der entsprechenden Indikation erhalten kann kritisch bewertet. Hier fehle die ärztliche Bewertung des Gesamtkontextes mit einem einhergehenden Ausschließen von kurzfristig auftretenden Kontraindikationen. Auch werden Unklarheiten bei der DiGA-Verordnung durch Krankenhausärzte identifiziert. Diese durchaus berechtigten Bedenken zeigen, dass eine Überarbeitung und Modernisierung des Verordnungsprozesses vonnöten ist, damit Klarheit besteht und DiGA mit möglichst geringem Aufwand digitale verordnet werden können.


Digitale Gesundheitsanwendungen sollte auf digitalem Wege verordnet werden - nicht Papier


Auch das Thema Evidenz wird im DGIM-Paper aufgegriffen. Die Verfasser sehen neben einer nötigen Klärung einiger technischer Fragen und Begrifflichkeiten die allgemeine Generierung von klinischen Daten hinsichtlich des medizinischen Nutzens einer DiGA teilweise noch in den Kinderschuhen. Hier müsse die Zeit zeigen, welche Ansätze am besten geeignet sind, um überzeugende Evidenz zu generieren. Wichtig ist hierbei auch, dass die Rolle des Arztes frühzeitig definiert wird und bereits im Rahmen klinischer Studien berücksichtigt wird.

Ausreichende Informationen über die Apps und die entsprechenden User-Journeys sehen die Verfasser des Papers ebenso als wichtig an und attestieren hier teilweise Nachholbedarf seitens der Hersteller. So seien unter anderem die Aufgaben der Behandler bei vorgesehenen Aufklärungs- und Motivationsgesprächen mit Patienten nicht eindeutig genug definiert. Hier liege es an den DiGA-Herstellern übersichtliches und aussagekräftiges Informationsmaterial zur Verfügung zu stellen. Eine effektive Aufklärung der Ärzte über DiGA liegt im Interesse der Hersteller, da die Integration der Behandler eine wichtige Voraussetzung für eine langfristige und nachhaltige Integration von DiGA in die Versorgung darstellt.


Ärzte müssen effektiv in die Nutzung von DiGA integriert werden

Eben diese Integration in bestehende Behandlungsstrukturen, die sich sowohl an den Bedürfnissen und Gegebenheiten der Patienten als auch an denen der Ärzte orientiert, ist im Paper der DGIM wiederholt als wichtige Voraussetzung für eine effektive Anwendung und Verbreitung von DiGA zu verstehen. DiGA sollten daher von Beginn der Entwicklung an komplementär zu etablierten Behandlungsabläufen und -systemen konzipiert werden. Diese Ansicht deckt sich mit den Ansätzen einer hybriden Versorgung, die zuletzt Thema in einem unserer Blog-Artikel war.

Es ist wichtig und erfreulich zu sehen, dass sich von ärztlicher Seite so intensiv mit dem Thema DiGA auseinandergesetzt wird. Das Paper der DGIM macht - trotz teilweise überraschend negativer Berichterstattung - Hoffnung für eine produktive Zusammenarbeit zwischen DiGA-Herstellern und internistischen Leistungserbringern in der Zukunft. Das Paper führt einige wichtige offene Punkte an und liefert eine Grundlage für produktive Diskussionen und Gespräche darüber, wie man DiGA gemeinsam und möglichst effektiv in das Deutsche Gesundheitssystem integrieren kann - zukünftig auch mit einer Vielzahl an DiGA für Internistische Indikationen.


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